We're all made by Stories and some Stories are made by us.

Der rote Faden und ein freier Fall

Schon seit ein paar Wochen habe ich die Idee, über meinen letzten Tag in Spanien zu schreiben. Darüber, wie ich das Land mit schwachen Oberarmen verließ, nachdem ich ein paar Monate zuvor mit weichen Knien ankam. Darüber, wie ich mich aus knapp zwei Metern Höhe fallen lassen musste, weil ich mich einfach nicht mehr halten konnte; darüber wie das Ende meiner Reise der Anfang für die eines anderen ist und darüber, dass die Frage, ob man mitkommen will, vermutlich eine der wichtigsten ist und bleibt. Doch dann zieht die Zeit nur so an mir vorbei, während wir in den altbekannten Bars oder vorm Späti sitzen, uns im Astra verabreden, auf einer Milonga Tango tanzen (obwohl ich es nicht kann) oder wir nach dem Kino lieber den Umweg, statt den direkten Weg nach Hause, wählen. Manchmal muss das Schreiben eben warten. Und wenn ich mich dann hinsetze und anfange passiert es, dass ich den roten Faden nicht sehe oder er sich eher wie eine Laufmasche durch meine Geschichten zieht. In Spanien jedenfalls war mein Zimmernachbar im Hostel ein Kletterer. Und wir verabredeten uns für den nächsten Tag, den Tag meiner Abreise, um vormittags gemeinsam in die Boulderhalle zu gehen. Passende Kleidung brauchte ich dafür nicht. Nur ein paar ausgeliehene Schuhe, Kreide auf den Handflächen und wie so oft musste ich nur damit aufhören mir selbst im Weg zu stehen und loslegen. Und was soll ich sagen? Ein paar Stunden Bouldern brachten mir bei, an nichts anderes, als die nächste Bewegung zu denken und dass der Blick nach oben genauso wichtig ist wie der nach unten. Nach meinen ersten erfolgreichen Runden traute ich mich dann an eine schwierigere Route. Doch auf halber Höhe verkrampften sich meine Finger und die Schultermuskeln brannten ohnehin schon wie Feuer. Auch die motivierenden Rufe der anderen Sportler konnten nichts mehr daran ändern, dass mich die Kraft verließ. Also ließ ich los und landete nach einem Fall in gefühlter Zeitlupe auf der Matte und blieb mit ausgestreckten Armen und Beinen liegen. Schwach, aber trotzdem stärker. Darüber nachdenkend, was es bringt sich weiter krampfhaft an etwas festzuhalten zu wollen, bei dem man nicht mehr vorankommt und das nur weh tun wird. Das Beste, was mir nach meinem Aufprall passieren konnte, war, dass man mir mit einem well done beim Aufstehen half. Seither scheint mir fallen beim Klettern genauso normal zu sein wie sich beim Tanzen mal auf die Füße zu treten. Und vielleicht zieht sich durch meine Geschichten gar kein roter Faden, sondern ich hänge in ihm, wie in den Seilen. Wenn ich den roten Faden mal verliere, dann gleich den ganzen Satzbau mit ihm. Als ich die Boulderhalle dann verließ, um Richtung Flughafen aufzubrechen, wurde ich unterwegs in der Landessprache nach dem Weg gefragt und als ich die Antwort geben konnte und mir sogar sicher war, dass die Beschreibung stimmte, dachte ich mir, dass ich doch so einiges gelernt hatte. Nämlich, dass mein Fall nicht mehr frei, sondern abgeschätzt und gewollt sein kann. Dass ich beim Klettern die Hüfte nah an der Wand halten und beim Tango nach jedem Schritt die Fersen schließen sollte. Und wenn ich heute auf dem Balkon stehe und statt der Wellen am Strand den Verkehr auf der Kreuzung beobachte, dann habe ich richtig Lust einfach so weiterzumachen. Zumindest weiterhin damit aufzuhören, mir selbst im Weg zu stehen.

Mon, Apr 1, 2024

Alltagslosigkeit

Den richtigen Zeitpunkt für ein Ende zu finden, ist und bleibt eine Kunst fürs Lebens. Sei es für Angewohnheiten, Partys, gesellige Runden, Jobs oder in meinem Fall für eine längere Reise. Und je näher das Datum der Abreise rückt, desto nostalgischer werde ich, denn in letzter Zeit lagen mir mehr Muscheln als Steine im Weg und am liebsten würde ich mir dieses Gefühl wie ein T-Shirt über den Kopf ziehen, es mir wie Schnürsenkel festbinden, wie eine Creme auf die Haut schmieren und mich nachts damit zudecken, nur um nicht zu vergessen wie es sich anfühlt unterwegs zu sein. Das Ankommen in jeder neuen Stadt erschien mir immer wieder mit den ersten Kapiteln in einem neuen Buch, oder den ersten Minuten eines Films vergleichbar zu sein. Man weiß noch nicht genau, was passieren könnte, wird aber mit jedem Satz und jedem Szenenwechsel weiter eingeführt. Und aus all den Begegnungen und Erlebnissen wird dann eine Geschichte, so wie aus lauter Einzelteilen auch ein Mosaik wird. Unterwegs wird es immer wieder ein paar Leute geben, die einen Witz auf deine Kosten reißen, aber auch die, die einem frische Bettwäsche anbieten oder einem in der Hostel-Lobby anfangen das Jonglieren beizubringen. Die, die einen davon abhalten sich in einen Ketchupfleck zu setzen - Die, die fragen, ob man nicht reinkommen will, nachdem man tagelang nur vorbeigelaufen ist und die, die mitten in der Nacht selbstgemachte Croquetas für einen zubereiten. Durch manche Abschnitte quält man sich auch wie durch den Berliner Winter, dem man ja eigentlich entkommen wollte und manchmal macht die Schuhsohle mit jedem Schritt ein schmatzendes Geräusch, weil man zuvor in Kaugummi getreten ist. Oder man rennt mit dem breitesten Grinsen durch die Stadt und merkt erst am Abend, dass man einen Krümel zwischen den Schneidezähnen hängen hatte. Jedenfalls tausche ich bald den Blick auf andere weltbekannte Bauwerke wieder gegen den des Fernsehturms, das Meer gegen das Tempelhofer Feld und den Vorhang am Hostelbett gegen die am Zimmerfenster. Und ich bin mir sicher, dass ich dort wie hier mal gelangweilt auf einer Parkbank sitzen und Löcher in die Luft starren werde, oder meine eigene Reflektion im U-Bahnfenster betrachte, bis ich meine Haltestelle erreicht habe. Doch so lange ein paar neue Songs in der gemeinsamen Playlist auf mich warten und ich nicht aufhöre zu lernen, wie man mehrere Bälle gleichzeitig in der Luft hält, werde ich mich einfach daran erinnern, dass ich nirgends lange alleine sein muss, wenn ich es nicht sein will. Und dennoch weiß ich nicht, ob jetzt der richtige Zeitpunkt für das Ende ist, aber wer zur Hölle weiß das schon? Kürzlich hörte ich Jürgen Klopp in einer Hotel Matze Podcast-Folge sagen, dass man beim Zurückblicken, auf das was war, verdammt nochmal das Grinsen nicht aus der Fresse kriegen sollte und, was soll ich sagen? Meins ist breit. Vor allem, wenn ich nach vorne schaue. 

Thu, Mar 7, 2024

100 Worte für die Metro von Málaga

Manchmal verpasst man die letzte Bahn, wie den Einsendeschluss eines Wettbewerbs. Passiert. An anderen Tagen wartet man dafür 3 Minuten am Bahnsteig oder für 52 Sekunden an der Ampel, bis die digitale grüne Figur anfängt loszuchlappen. Mal fährt man durch die ganze Stadt oder überquert nur eine Straße. Mal bekommt man einen Fuß in die Tür oder man fährt in die falsche Richtung ohne es direkt zu merken. Ob ober- oder unterirdisch glaube ich, dass wir alle darauf hoffen, dass der Moment, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, vorbeizieht. Und wenn er dann da ist: Catch that train!

Fri, Feb 23, 2024

Keep Pushing

Manchmal lese ich zu viele Worte von anderen, sodass ich dazwischen meine eigenen verliere. Doch manchmal ergänzen sie sich auch ganz gut. Zum Beispiel, wenn Stephen King in seinem Buch «Über das Leben und das Schreiben» davon erzählt, dass Adverbien in einem Text wie Löwenzahn auf einer Wiese seien. Hat man einen, sieht er hübsch aus, doch wenn die ganze Wiese damit übersät ist, müsse man erkennen, dass es Unkraut sei. An anderer Stelle schreibt er davon, dass die Geschichte wie ein Fossil bereits im Boden liege und das Schreiben die Ausgrabungsarbeit sei, um es intakt bergen zu können. Und mir gefällt das. Für mich ist das Leben und das Schreiben mehr wie der Drop-In in eine Halfpipe. Man steht da oben, linker (oder rechter) Fuß auf der Tail, vordere Achse freischwebend und alles, was man tun muss, ist den Mut zu finden sein Gewicht nach vorne zu verlagern. Und jedes Mal, wenn ich einen Stift in die Hand nehme oder den Laptop aufklappe, versuche ich Tricks zu kombinieren. Manchmal übt man wochenlang den Ollie oder einen Kick Flip und genauso lang kann man auch Sätze formulieren. Wenn es flowt macht es Spaß. Doch wenn es nicht klappt, ist es frustrierend. Dann knülle ich das Papier zusammen oder schleuder den Stift von mir wie ein Skater sein Deck. Und trotzdem läuft man dann wieder hin, nur um es wieder aufzunehmen. Um es nochmal zu versuchen. Um andere Kombinationen und Vergleiche zu finden. Um neue Gelegenheiten und neue Spots zu entdecken. Um es auszutesten und auszureizen. Vielleicht ist es das, was Bukowski mit seinen Worten «find what you love and let it kill you» meint. Wenn ich nach meinem nächsten Sturz wieder am Boden liege und in den Himmel blicke, werde ich zumindest weiter darüber nachdenken. Aber nur, um mich dann wieder aufzuraffen, die Knieschoner zurecht zu ziehen und wieder oben auf der Half-Pipe zu stehen. Bereit für den nächsten Drop-In. 

Mon, Feb 12, 2024

Zwei Schritte vor und einen zurück

Kürzlich wurde ich gefragt, ob wir in der deutschen Sprache ein unnötig langes Wort haben und in dem Moment hatte ich keine Antwort darauf. Als ich jedoch ein neues Musikvideo auf YouTube sah, fiel mir plötzlich eine ein. Darin sah und sieht man noch immer nämlich einen wackel-wabbel-armigen-Windhosenkamerad. Auch bekannt als Airdancer oder Tubeman. Ich glaube, dass es auch gar kein richtiges deutsches Wort ist, sondern eine Übersetzung, dennoch. Als ich so zuschaute dachte ich mir auch, dass je länger ich als Reisende unterwegs bin, ich mich auch wie ein wackel-wabbel-armiger-Windhosenkamerad fühle. Riesig, durchgepustet und nicht wissend in welche Richtung es als Nächstes geht. Seit ich meinen Haustürschlüssel gegen ein kleines Vorhängeschloss getauscht habe, saß ich in unzähligen Co-Working-Spaces, im Publikum eines Film-Festivals, mal im Schneidersitz auf dem Hostelstockbett oder den ganzen Tag am Meer, während die Sonne meinen Schatten wie einen Stundenzeiger kreisen ließ. Mal stand ich auf dem Schlauch oder plötzlich im Dunkeln unter der Dusche, weil die andere Person im Zimmer das Licht ausschaltete als sie ging. Ich tauschte Zahnpasta gegen Bier und generell das Gewohnte gegen Unbekanntes. Phasenweise fühlt man sich trotz GPS-Standort verloren und ziellos. Doch so lange dem wackel-wabbel-armigen Windhosenkamerad nicht die Luft ausgeht, bleibt er in Bewegung und so mache ich das einfach auch. Selbst wenn es nur zwei Schritte vor und einer zurück sind. Wenn man im Schritt zurück wenigstens noch eine Pirouette dreht und sich den Sand aus den Hosentaschen schüttelt, geht's eigentlich.

Tue, Jan 23, 2024

Reaktionen

Manchmal kann ich nicht begreifen wie die Welt mit all ihren Prozessen gleichzeitig funktioniert. Sei es, dass die Bäume Photosynthese betreiben, wir auf Kontinenten leben, sich Gewitterwolken entladen oder wir mit ein paar Klicks Kurznachrichten um die halbe Welt senden können. Dazu die menschlichen Erfindungen wie die Glühbirne, den Buchdruck oder den blinkenden Curser in einem Worddokument. Mathematische Gleichungen gehen auf wie ein Hefeteig und durch Zufall entdeckte man Dinge wie Crêpe Suzette. Vor allem mag ich die Geschichten dahinter: Wie ein französischer Kochlehrling für einen Adel kochen sollte. Der Likör aber versehentlich Feuer fing er aber einen kühlen Kopf behielt und so tat, als würde alles nach Plan verlaufen. Und als ich mir vor ein paar Jahren eine Schreibmaschine zulegte, erzählte mir ein Freund, dass die heutige Anordnung der Computertastatur auf ihrem Mechanismus basiert. Wusste ich nicht. Vor knapp 150 Jahren hatte sie den Sinn, dass sich die Buchstabenhebel beim Tippen nicht unnötig ineinander verhaken und sie wurde nur übernommen, weil sich die Menschen daran gewöhnt hatten. Faszinierend finde ich auch, wie Verstärker und Mikrofone Schall übertragen und sowieso die Wellenlänge und Chemie zwischen Menschen. Dazwischen stehen die ungeschriebenen Gesetze direkt neben Murphys Gesetz und Sektkorken knallen, wenn Rennfahrer auf einem Siegertreppchen stehen. Manchmal fällt während dem wildesten Punkrock-Konzert der Strom aus und die Band improvisiert mit einem Acoustic-Set während die Techniker im Hintergrund mit Taschenlampen versuchen das Problem zu lösen. Fakt ist: Alles fließt und alles reagiert miteinander. Manchmal schießt es fontänenartig in die Luft wie ein Mentos-Drop in einer Colaflasche oder man schmilzt wie ein Gummibär in der Sonne. Wenn ich so darüber nachdenke, wünschte ich mir, nie gehen zu müssen, nur um mich noch weiter davon überraschen zu lassen, was passiert, wenn man seine gewohnten Wege und die Komfortzone verlässt. Doch es scheint mir als hätte Joan Didion mit ihren Worten recht als sie schrieb «Es ist leicht, den Anfang der Dinge zu erkennen, schwieriger ihr Ende». Und am Ende, denke ich mir, kommt es nur darauf an wie man auf bestimmte Situationen reagiert hat. Was man sich getraut, oder was man dazu gelernt hat und sei es nur wie man eine Bierdose vertikal mit den Händen zusammendrückt, ohne sich dabei am Blech zu schneiden.

Sat, Jan 20, 2024

Frei Bordsteinkante

Als ich am Straßenrand stand und beobachtete wie der Sperrmüll eingeladen wurde erinnerte es mich daran, dass die Dinge, für die wir uns mal entschieden haben, nicht für die Ewigkeit bestimmt sind. Die Handgriffe der Angestellten gingen perfekt ineinander über und die Möbelteile bewegten sich vom Bordstein an die Laderampe, landeten dann auf der Ladefläche während sich das rattern und klappern mit dem laufenden Motorengeräusch vermischte. Schrankteile und ganze Kühlschränke, die irgendwann einmal gekauft, vielleicht per Spedition terminiert und in Plastikfolie und Styropor verpackt geliefert, sorgsam ausgepackt und aufgestellt wurden, landeten nun innerhalb von Sekunden auf einem Haufen, um wieder weggebracht zu werden. Irgendjemand hat darin Milch, Bier oder Wein kalt gestellt oder frische Wäsche aus den zusammengeschraubten Holzplatten gezogen bis bestimmte Gründe, die man als Beobachter der Szene nicht kennt, dazu führten, dass die Dinge ausgedient haben. Keller und Dachböden sind voll von verbogenen Wäscheständern oder zusammengebrochenen Stühlen. Die Smartphones voll mit Zahlen und Ziffern die mit Namen und Gesichtern verbunden werden. Und beides hat gemeinsam, dass bestimmte Entscheidungen, Gründe und Wendungen dazu führen, dass die Dinge so sind wie sie sind. Es wird ein ständiges Kommen und Gehen bleiben. Dazu wechselt das Tageslicht wie die Farbe der Ampeln. Und zwischen all dem liegt es wohl an jedem Einzelnen die Kontakte und Möbelstücke zu pflegen, damit sie möglichst lange halten. Ewig werden sie es wohl nicht.

Fri, Dec 29, 2023

Halbfertig

Kürzlich unterhielt ich mich mit einem Freund darüber, dass wir finden, dass zu Hause da ist, wo man nicht nur das eigene Wohnzimmer hat. Und wenn ich jetzt so darüber nachdenke, stelle ich fest, dass ich ein paar dieser Wohnzimmer schon mehrere Jahre kenne und mir zum Beispiel die Türe offen steht, für wenn ich außer Atem im 5. Stock ankomme. Andere werden mir erst seit kurzem mit einem Lächeln geöffnet, nachdem ich geklingelt habe. Für manche habe ich sogar einen Schlüssel. Doch sie alle haben etwas gemeinsam: Sie sind wertvoll und eine Einladung. Besonders dann wenn es egal ist wie lange und aus welchen Gründen man nicht da war. Man grüßt, fragt, wie es geht und freut sich sich zu sehen. In manchen soll man die Schuhe ausziehen, in manchen nicht. An manche grenzt ein Balkon, an andere nicht. In einem dieser Räume weiß ich genau welche Bodendiele quietscht oder wie das Bild an der Wand heißt. Und andere Wohnzimmer nennt man schlicht und einfach auch Büro. In einem dieser Zimmer habe ich kürzlich dabei geholfen einen Schrank zusammenzubauen. Zu Beginn sortiert man die Schrauben, studiert die Anleitung, diskutiert verschiedene Vorgehensweisen und öffnet eine Flasche Wein. Man legt guten Gemüts los, wird dann doch nicht fertig und lässt die Dinge halbfertig stehen. Legt sich inmitten all dem schlafen oder rennt auf dem Bahnsteig der Ringbahn entgegen. Vielleicht sollen die Dinge ja nie ganz fertig werden, damit man nie ganz aufhört da weiterzumachen, wo man aufgehört hat. Die Türen, die sich öffnen sollen, müssen manchmal eben erst noch angebracht werden. Jedenfalls: Solange Menschen Herzen an beschlagene Fensterscheiben malen, sich ein paar Runden an der Bar ausgeben, Blättchen und Filter teilen wie Freud und Leid, höre ich nicht auf daran zu glauben, dass zu Hause da ist, wo man nicht nur das eigene Wohnzimmer hat.

Thu, Nov 30, 2023

Sprachlos in Asturien

Als mir kürzlich geschrieben wurde, dass man eine Sprache am besten durchs Sprechen lernt, fiel mir auf, dass ich das, seit ich in Spanien bin, sehr wenig tue. Dafür denke ich viel, schlafe viel, schreibe viel, laufe viel und lerne viel. Neben Grammatikregeln und Vokabeln auch, wie man für manches gar keine Worte braucht. Denn es reicht eine Handbewegung, die ein Feuerzeug anzündet, um eine Frage zu formulieren. Oder man hebt sein leeres Glas in Richtung Bar und bekommt wenige Momente später ein neu gefülltes serviert. Und als ich kürzlich gefragt wurde, ob ich mit wandern kommen möchte, lernte ich auch, dass man den Anstieg und das Herzklopfen schon in Kauf nehmen muss wenn man die Aussicht genießen will. Unterwegs wird sich der Untergrund von Beton zu einzelnen Steinen zu bedeckt mit Blättern verändern. Und dann findet man sich plötzlich und unter falscher Annahme, dass der Boden trittfest sei, knöcheltief im Matsch wieder. Man kann dann vor Schreck aufschreien, fluchen oder es einfach so hinnehmen wie es ist, lachen und nach der Hand greifen, die einem gereicht wird, damit man nicht vollends das Gleichgewicht verliert. Stehen bleiben ist jedenfalls keine Option und sich zu dritt die Schuhe matschig machen ist schöner als alleine. Und folgendes wusste ich eigentlich schon vorher: Lachen ist auch eine Sprache. Die schönste.

Wed, Nov 15, 2023

Wie eine gut sortierte Buchhandlung

Kürzlich dachte ich darüber nach, dass Erfahrungen und Erinnerungen eigentlich wie eine gut sortierte Buchhandlung sind. Kategorisiert, einsortiert und voll bis unters Dach, sodass sich die Regalbretter biegen. Man weiß, wo was steht und braucht wenige Handgriffe, um bestimmte Passagen zu finden. Eselsohren zieren die Ecken. Manche zerfleddert, manche verloren gegangen oder verliehen und nie zurückbekommen. Andere wurden rigoros aussortiert und neue Titel werden unaufhörlich nachgeliefert. Neu geschrieben, umgeschrieben, wieder entdeckt. Zwischen gebundenen Ausgaben mit Fadenheftung und geknickten Buchrücken stehen sie geschrieben: Die Geschichten. Als Erstausgabe, Neuauflage, Empfehlung oder Zufallsfund. Auf der ersten Seite Widmungen des Autors selber oder handgeschriebene mit Zitaten von Franz Kafka oder Luis García Montero. Manche Kapitel noch unberührt und auf manche Neuerscheinungen wartet man geduldig und sehnsüchtig wie auf ein Wiedersehen nach einer Reise. Einer neuen Geschichte schenkt man genauso sein Vertrauen, wie einer neuen Begegnung. Satz für Satz, Seite für Seite lernt man sie kennen oder man hört auf weiterzulesen. Am Ende blättert man zurück, liest einzelne Absätze erneut und erinnert sich, was an dieser Stelle geschah. Je länger ich darüber nachdenke, desto faszinierender finde ich es, dass sie so viele Menschen mit sich herumtragen. Bücher, Erfahrungen und Erinnerungen. Treue Begleiter, ein Abenteuer in gedruckter Form und in einem offenen Buch liest es sich besser als in einem verschlossenen. 

Fri, Nov 10, 2023

Was fehlt dir?

Als mir ein Freund ein Bild von seinem alten Rucksack sendete und fragte ob der passt, erinnerte mich das daran, dass man seine Gedanken zu dem, was man braucht und zu dem, was man sucht, schon teilen sollte um weiterzukommen. In dem Fall suchte ich nämlich einen Rucksack für meine kommende Reise, in den alles passen wird, von dem ich denke, dass ich es unterwegs brauche, der mich aber gleichzeitig nicht als Backpackerin aussehen lässt. Seine Nachricht erinnerte mich auch an eine andere Situation, in der ich mich Anfang des Jahres befand. Denn ich wollte eine ausverkaufte Comedy Show im Admiralspalast besuchen und hatte kein Ticket. Also ging ich, wie so oft schon aus dem Haus, ohne zu wissen, was passieren wird. Und so stand ich dann mit den Händen in den Jackentaschen  im Innennhof und beobachtete andere Leute dabei, wie sie mit einem Suche-Ticket-Pappschild durch die Menge streiften. Dann dachte mir «Hey, wenn du dich nicht irgendwie bemerkbar machst, mit dem, was du suchst, was dir fehlt, dann wirst du mit den Händen in den Jackentaschen einfach wieder nach Hause fahren. Woher soll denn jemand wissen, dass du n Ticket suchst?». Daraufhin öffnete ich die Kleinanzeigen App. Und siehe da, ein Ticket.. Übergabe vor Ort.. ich steh hier am Eingang.. rote Jacke, helle Jeans... und.. wow: Ich war dabei. Und doch weiß ich, dass man manchmal drinnen steht und manchmal draußen bleibt. Dass am Ende einer UNO-Runde die Karten neu gemischt und auch die Figuren nach einem Schachmatt wieder auf ihre Positionen zurückgestellt werden. Manchmal würfelt man ewig für eine sechs, um überhaupt am Spiel teilnehmen zu können. Und dann fliegt man so kurz vor dem Ziel raus und steht wieder am Anfang. Einer gibt die Karten aus, einer eröffnet die Partie und manchmal darf man sich zwischendurch eine Farbe wünschen. Der amerikanische Schriftsteller Josh Billings sagte, dass das Leben nicht daraus bestünde, gute Karten zu haben, sondern mit denen, die man hat, gut zu spielen. Und so halte ich meine Karten. Wäge ab oder gehe all in. Und zur Sicherheit stecke ich mir mal lieber noch ein Ass in den Ärmel und ärgere mich nicht. 

Fri, Oct 27, 2023

Mal zu stark, mal zu schwach

Seit langem habe ich mal wieder eine mir fremde Kaffeemaschine bedient. Eigentlich ist es ja genau gleich wie zu Hause, doch irgendwie auch nicht. Und so stand ich davor und fragte mich, ob das nun die richtige Anzahl Löffel vom Pulver auf die Wassermenge sei. Aber so ist das eben. Jeder hat sein eigenes Innenleben und jeder braucht seine eigene Dosierung. Das gilt für Filterkaffeemaschinen, sowie für den Menschen, der davorsteht. Und manchmal klappt der Filter um und die Brühe schmeckt nicht, oder sie kocht stundenlang auf der Heizplatte ein und es zittern einem danach die Hände und das Herz flattert. Mal geht die jahrelange Lieblingstasse zu Bruch oder man füllt den Becher zu hoch und es schwappt über den Rand weil man sich zu schwungvoll durch die Wohnung bewegt. Und so sah ich in Gedanken versunken dabei zu, wie sich die Kanne füllte und sagte mir: Ach was solls. Es ist doch die Mischung aus all dem. Kann nicht immer alles vollmundig, aromatisch, heiß und dampfend sein. Manchmal ist das, was einem serviert wird, auch einfach nur bitter und wird kalt. Schlussendlich schien es mir, dass es mit Kaffee so sein könnte, wie mit vielen anderen Dingen im Leben auch: Macht wach, aber zu viel davon müde.

Wed, Oct 25, 2023

Das normalste der Welt

Gestern führte mein Weg nach Hause an drei Wasserwerfern vorbei, die an der Bushaltestelle standen, als würden sie sich auch an den Fahrplan halten wollen. Während ich im Bus saß, fragte ich mich wieder, wie es eigentlich geht, an den Dingen, die auf der Welt passieren nicht zu verzweifeln, während man selbst gerade eigentlich ganz glücklich ist. Eine mögliche Antwort ist für mich die Musik, denn sie vertont meine Gedankenschleifen, hält mich wach und in Bewegung. Bringt mich unter Menschen oder stellt mich, so wie gestern, auf einer 80er-Party an den Tischkicker während die tanzende Meute ... Don't stop believing, hold on to that feeling... grölt. Und ich hielt den Spielverlauf in meinen Händen und der Blick folgte dem Ball unter Scheinwerferlicht und sich drehenden Discokugelpunkten. Eine Mischung von Adrenalin und Endorphin sorgte dafür, dass ich jubelnd die Arme in die Höhe riss bevor ich den Punktewürfel eins weiter schieben konnte. Doch wie so oft funktioniert das Spiel nicht, wenn der Gegenüber nicht dabei wäre und so spürte ich die Wucht in den Griffen, wenn der Ball auf die eckigen Füßchen der Figuren traf. Fremde Menschen werden zu meinem Team mit dem man auf das gewonnene oder verlorene Match anstößt. Und an manchen Abenden hört man Namen, die man so schnell nicht mehr vergisst. Und während ich hier sitze, in den Erinnerungen schwelge, mir wünsche, dass mein Spielfeld am liebsten immer von Konfetti und Bechern auf der Bande geziert werden soll, steigt die Sonne über das Dach vom Haus gegenüber und das scheint mir das normalste der Welt zu sein. Zumindest für jetzt.

Sun, Oct 22, 2023

Ende offen

Kürzlich habe ich das erste Mal seit bestimmt 15 oder 20 Jahren mal wieder eine Kassette in einen Videorekorder geschoben. Es war ein Film von Doris Dörrie aus dem Milleniumjahr 1999. Ich kannte ihn schon, freute mich aber so sehr, ihn auf Video in den Händen zu halten, dass ich nicht lang überlegte und Play drückte. Früher als Kind habe ich Filme, die ich schon kannte, im Schnelldurchlauf laufen lassen, manchmal auch rückwärts, und so konnte ich mich auch dieses Mal nicht zurückhalten und drückte auf vorspulen. Die Szenen flogen vorbei und ich erinnerte mich zum Teil an Dialoge, Schlüsselmomente und Wendepunkte. Auch wenn ein Videorekorder überhaupt nicht mehr zeitgemäß ist, sind die Symbole geblieben. Ein Dreieck, das nach rechts zeigt für Play, zwei senkrechte Striche für Pause, und zwei kleine Doppeldreiecke nach links oder rechts ausgerichtet für Rewind und Forward. Während der Rekorder summte, dachte ich, dass es doch irgendwie schön wäre, in seinem eigenen Leben zu ein paar Momenten zurückspulen zu können. Vor bitte nicht, nur zurück. Ein kurzes Review im Stile von «Was bisher geschah», falls man nicht mehr mitkommt oder um den ein oder anderen Moment nochmal aufleben zu lassen. Sehen wie die eigenen Szenen, Dialoge, Schlüsselmomente und Wendepunkte ineinander übergehen.
Aber, all das geht nicht. Es geht nur vorwärts. Manchmal nervt der Cliffhanger oder man versteht die Handlung nicht, fühlt sich im falschen Film oder jemand kruschtelt zu laut im Popcorn. Outtakes und Bloopers können auch nichts daran ändern, dass das Ende viel schneller kommen wird als gedacht. Schließlich nahm ich die Videokassette wieder aus dem Rekorder, stellte sie in ihrer Hülle zurück ins Regal und dachte darüber nach, dass das Beste am eigenen Drehbuch ist, dass das Ende noch offen ist. Und in Gesellschaft schreibt es sich besser als allein.

Tue, Oct 10, 2023

Ein kulinarisches Aufraffen

In letzter Zeit überfordern mich Supermarktregale. Unschlüssig, scheu und wunschlos schleiche ich durch die Reihen und dass ich hungrig bin, bleibt dabei unverändert. Hungrig nur nicht so recht auf Essen, sondern auf Leben, aber kein Leben ohne Essen. Und Leben kann man sich nicht mal eben an der Ecke zum Mitnehmen bestellen. Die Zutaten muss man schon selber auswählen, kombinieren, wiegen, putzen und würzen.

Seit kurzem steht das Buch Taste: My Life Through Food vom Schauspieler Stanley Tucci neben meiner Filterkaffeemaschine und immer, wenn ich darauf warte, dass der Kaffee durchgelaufen ist, lese ich ein paar Zeilen in der Hoffnung zwischen den Zeilen meinen Appetit wiederzufinden.

Kochen scheint mir ein bisschen wie das Großstadtleben zu sein: Alles ist möglich. Die Geheimzutaten lauten lediglich: Aufraffen und loslegen. Wie auch immer man sich das definieren mag. Sei es der Versuch eine Stunde vor Beginn ein Ticket für das ausverkaufte Konzert der Punk-Rock-Band zu finden, die es schon gibt, seit man selbst denken kann oder auf einer Lesung um eine handgeschriebene Widmung der Autorin zu fragen, deren Texte man mag. Das Einzige, was man dafür tun sollte, ist durch Türen zu gehen. Sei es die der Wohnung, der BVG, des Büros oder einer mit Türsteher. Manchmal mit, manchmal ohne Ticket. Manchmal bricht der Schlüssel ab, man zieht statt zu drücken oder es ist nur die Ofentür, die man öffnet und schließt. Kommende Woche werde ich mich jedenfalls um Italian Bread bemühen, von dem Stanley Tucci erzählt und ich werde mir den Film Big Night ausleihen, in dem er mitspielt. Doch erstmal fange ich damit an, das restliche Olivenöl für Pasta con Aglio e Olio aufzubrauchen. Dann habe ich schonmal direkt eine Sache, mit der ich dann zielstrebig zur Kasse gehen kann. Und an einer Bäckerei-Türe für feines Italian Bread werde ich schon auch noch ziehen, oder drücken - egal: Hauptsache aufraffen und loslegen.

Sun, Sep 17, 2023

Die guten alten Zeiten

Am Abend vor der Übergabe meiner alten Wohnung gab es keine Sitzgelegenheiten mehr außer dem Schneidersitz auf dem Boden. Alles was blieb waren Wein, Musik und gute Gesellschaft. Nach zwei verlorenen Partien ging ich ein letztes Mal durch den Flur, blickte in die Küche, scannte die leeren Wände auf meine Erinnerungen ... Alles geht vorbei, alles geht vorbei. Sag mir was bleibt ... Die Couch, die von einer Bar verschenkt wurde und wir beim Abholen in festgeklebte Kaugummis an der Unterseite griffen - weiter verschenkt. Die Konfetti-Kanone zum Silvestercountdown, deren Überreste bis zum Umzug noch auftauchten - zusammengefegt. Schokobrötchen die mir in der Back-Shop-Tüte auf den Balkon geworfen wurden - längst aufgegessen ... Die Geschichten, die wir heute schreiben, das sind morgen unsre guten alten Zeiten ... und dann blieb mein Blick an einem kleinen Stück Papier hängen, das zwischen Wand und Einbauschrank hervorschaute. Sobald ich es vorsichtig herauszog und auseinander faltete, musste ich lachen, denn: Es waren meine ersten Gedanken zu diesem Blog.
Auf dem Zettel waren Notizen festgehalten, wie:

Struktur?

Eigene Domain?

Zielgruppe?

Perspektive?

Auf mindestens zwei der vier Punkte habe ich heute eine Antwort. Und rückblickend war alles ein Prozess, eine Entwicklung - ein Klick. Zurück im Wohnzimmer setzte ich mich wieder und startete den titelgebenden Song von Jennifer Rostock. Manchmal scheint alles, was einem bleibt, Musik zu hören und sich dann von Schlagzeug und Gitarren mitreißen zu lassen, lauter zu drehen, aufzustehen und durch die leeren Räume zu wirbeln. Jede Perspektive nochmal einnehmen und nach den Händen der anderen zu greifen.
Denn der Regen verwischt unsre Spur'n schon blicke auf die tickenden Uhr'n Zeit ist ein Hurensohn...
und dann packt man seine Sachen
... leg' unser Luftschloss in Trümmer...  
zieht die Tür zu 
...Es war nie für immer...
und geht.

Thu, Sep 7, 2023

Ein schiefer Ton hier und da

Als mir ein Freund beim Umzug half, überraschte er mich, in dem er sich im neuen Wohnzimmer ans Klavier setzte und anfing «River Flows in You» zu spielen. Ich wusste nicht, dass er das kann. Und so stand ich gerührt eine Flurlänge entfernt und hielt mich an meiner Kleiderstange fest. Während die Melodie ihren Lauf nahm, gefielen mir, um ehrlich zu sein, die schiefen Töne und Rhytmusschwankungen dazwischen am besten. Denn, darauf folgte immer wieder ein neuer Flow und perfektes Timing, bis eben wieder nicht. Und so ist es eben. Mal ein schiefer Ton hier und da. Einsatz verpasst, Übergang verhauen. Mist. Doch ein Ton kann hier schief sein, da aber nicht. Kommt nur darauf an, wie man gestimmt ist und in welchem Umfeld man sich bewegt. Musik wird schon seit so vielen Jahrhunderten komponiert und irgendwann fing man dann damit an, sie mit Worten zu kombinieren. Für mich ist das eine der genialsten Fügungen überhaupt. Gedanken und Gefühle werden zu Gedichten, Geschichten und Songs. Man kann dazu Pogo tanzen, Feuerzeuge schwenken, ganze Vorträge über Tonleitern, große und kleine Terzen halten oder einfach nur zuhören. Für einen Moment jedenfalls wirkte mein Gemüt ein bisschen geordneter, während die Dinge um mich herum ganz durcheinander waren.

Thu, Aug 31, 2023

Never lose your Sparkle

Als ich mir die Fingernägel mit einem Nagellack, der «Less bitter more glitter» heißt lackierte und mir ein Freund in einer Voicemail amüsiert antwortete, dass ihm gar nicht bewusst war, dass Nagellacke Namen haben, es aber schon Sinn mache, fiel mir auf, dass es mir das auch nicht wirklich war.

Manchmal, werden einem die Dinge eben erst so richtig bewusst, wenn man von anderen darauf aufmerksam gemacht wird. Manchmal aber auch erst, wenn Momente da sind, von denen man dachte, dass sie erst später kommen würden. Zum Beispiel, wenn man mich fragt, ob mir denn auch bewusst sei, dass man irgendwann jemand neues kennenlernen wird, wenn man sich entscheidet nach einer Trennung befreundet zu bleiben. Schon, ja, das war es irgendwie. Nur, dass manchmal irgendwann gar nicht irgendwann, sondern einfach jetzt sein kann nicht.
Also lackiere ich mir die Fingernägel, höre Alanis Morissette, die mich fragt: «Isn't it ironic?» und fühle mich wie jemand altes

Und während ich wartete, dass der Glitzer trocknet, tauchte eine Szene vor meinem inneren Auge auf, wie ich in der Bahn neben einem Mann saß, der telefonierte. Er rezitierte ein Stück Rede, die auf einem 93. Geburtstag gehalten wurde «Mach' das Beste draus. Genieß das Fleckchen Land, die frische Luft...»
Und hier bin ich.
Auf einem Fleckchen Land. Ok eher 30m² gemieteter Laminatboden.
Frische Luft in Berlin? Naja. 
Aber, ich mach' das Beste draus, denn hey, meine Fingernägel glitzern. 

Tue, Aug 8, 2023

Just a dreamer

In letzter Zeit denke ich öfter über Träume nach und wenn ich anfange darüber nachzudenken, erinnere ich mich daran, dass mal jemand aus meiner Grundschulzeit in mein Freundebuch hinter die Frage «Was ist dein Lieblingssong?» schrieb: Dreamer von Ozzy Osbourne.

I'm just a dreamer ...  Die Jukebox in meinem Kopf stimmt den Song an. Die erste Strophe geht in den bekannten Refrain über und ... I dream my life away...

Doch mal ehrlich: Es ist auch nicht schwer den ganzen Tag Trübsal zu blasen.
Wenn so, dann finde ich am Besten durch eine gut erzählte Geschichte wieder zurück in einen Flow.

Und wenn ich dann wieder anfange zu träumen, komme ich an den Fragen nicht vorbei, die ich mir jedes mal aufs neue stelle: Was ist eigentliche meine Geschichte? Wie gut bin ich erzählt? Welche Twist & Turns liegen noch vor mir? Welche hinter mir liegen weiß ich ja.
Werde ich im richtigen Moment mutig über mich hinauswachsen, wie ein Protagonist den man ins Herz schließt es tun sollte? Und sind es nicht ohnehin die Schwächen die einen stark machen?
Wer wird bis zum Ende des Abspanns sitzen bleiben?
Und, kommt nach dem Abspann noch was?
Welcher Song läuft dazu? 

Ist es Bruce Springsteen, der Boss, wenn er fragt «Is a dream a lie if it don't come true - or is it something worse?»

Oder wird es Curse sein, wenn er sagt: «Wir Träumer kennen unsern Wert. Haben die Augen aufgemacht.»

Oder Ozzy mit dem Lieblingssong meines Grundschulfreundes von früher ... Who dreams of better days. Oh yeah yeah yeah... 

Sat, July 29, 2023

Showtime

Kürzlich wurde mir eine Frage gestellt: «When was the last time you really had fun?» und es war, als hätte diese Frage einen Vorhang für die Bühne aufgezogen, die ich länger nicht betreten habe. Sie war etwas runtergekommen. Sie funktionierte noch als Bühne, doch sie bräuchte neuen Glanz. Die Dielen müssten mal abgeschliffen und neu lackiert werden. Die Scheinwerfer wieder neu ausgerichtet. Der Vorhang gewaschen... all in all: Eine Generalüberholung. Auf dieser Bühne sollte wieder ein Stück mit einer Prise von allem gespielt werden. Ein bisschen Komödie, ein bisschen Drama, Parodie, ein Biopic. Von mir aus auch ne Romcom, nur kein Horror bitte. Am Ende dieses Stücks würde ich den Saal gerne mit dem Gefühl verlassen wollen, dass man die Zeit vergessen hat. Ich will gelacht und geweint haben. Das eine aufgrund des anderen natürlich. Auch wenn man sich den Soundtrack dazu selbst auflegen muss, oder erst noch selbst komponieren und dabei jede Geige selbst spielt. Das heißt nur, dass man Regisseur, Dramaturg und vor allem Amateur in einem ist. Nur, gibt es auf dieser Bühne keine Generalproben. Jeder Tag ist Showtime. Mal vergisst man seinen Text, der Absatz vom Schuh bricht oder das Publikum buht. Doch das gute ist: Niemand weiß was zum Stück gehört und was nicht. Deswegen kann man sich auch mal blamieren, was dummes sagen oder betrunken in den Orchestergraben stürzen. Dann gibt es eben mal ne schlechte Kritik, so what? Es muss nicht perfekt sein. Alles was es braucht ist kluge Improvisation, sicheres Auftreten bei kompletter Ahnungslosigkeit und der Wille den Vorhang immer und immer wieder heben zu wollen. Am Ende sind es doch die Summe der Momente, die man gemeinsam in diesem Saal verbracht hat und solange es im Herzen, in Gedanken und in Erinnerung bleibt, war es gut. Am Beginn stehen die Fragen, die man stellt oder gestellt bekommt und am Ende die Antworten, die man darauf erhält oder gibt. «When was the last time you really had fun?» Also hier meine Antwort: Heute Morgen, als ich diesen Text geschrieben habe und meine Bühne wieder beleuchtet habe. Wie lautet deine?

Thu, July 27, 2023

Es heißt, die Sorgen bleiben dir immer fern

Völlig unerwartet können Menschen, die man mal kannte, auf der gleichen Party tanzen wie man selbst. Doch, statt zu winken oder aus der Ferne zuzuprosten, hoffe ich nicht erkannt worden zu sein und schlängle mich durch die Menge ans andere Ende des Raumes, um vor der Nebelmaschine in regelmäßigen Abständen zu verschwinden, nur um keinen Dialog zu beginnen. 
Die Stimme, die mir klar und deutlich versichert, dass Menschen in Clubs wie im Leben kommen und gehen, nicht alle bleiben, aber auch nicht alle gehen werden, dass man mit der Zeit den ein oder anderen Namen genauso vergessen wird, wie seine Jacke an der Garderobe, verliert sich im Störgeräusch.
Und dazu blitzt eine Szene mit Timon und Pumba aus König der Löwen vor meinem inneren Auge auf und zwar die, als sie Simba in der Savanne finden mit den Worten: «Man muss seine Vergangenheit hinter sich bringen.»

Ich weiß, dass nur die Zukunft veränderbar ist.
Das weiß jedes Kind.
Wobei. Weiß man so was als Kind?
Wusste ich das als Kind?
Als Kind wusste ich, wie man ein Röhrenradio bedient.
Musik zwischen Störgeräusch und wieder Musik. Oft genug habe ich den Regler von ganz links nach rechts gedreht, nur um dem Wechsel der Frequenzen zuzuhören. Einfach immer wieder ein bisschen nachjustieren, bis man das findet, was einem gefällt. Oder bis man etwas findet, nachdem man gar nicht gesucht hatte. 
Ein paar Dingen bin ich mir jedenfalls sicher: Ein neuer Song wird beginnen, Nebel wird sich lichten und es kann ja nur besser werden. Also Hakuna Matata und keep on daaaaancing und wenn es sein muss auch mit Tears in your Eyes.

Wed, July 19, 2023

Spuren

Wenn ich mir heute dieses Bild angucke, das ich im Januar aufgenommen habe, als ich barfuß auf der Spitze eines Klettergerüsts saß, denke ich mir, dass das eine Aussicht des Lebens sein könnte. Schritte und Spuren, Richtungen. Wellen, die sich an Land werfen. Netze, in die man gerät, man wird mal nass, dann wieder angespült und zwischendrin kreuzen sich die Wege oder berühren sich nie. Oder zu früh. Oder zu spät.
Sie verlaufen sich. Verwehen. Vergehen.
Die Schatten werden länger und schließlich, klettert man wieder runter und streift weiter. 
Doch die kurze Aussicht von oben, die bleibt, so wie die Erinnerung daran, wer die Fußspuren neben den eigenen hinterlassen hat.

Thu, July 13, 2023


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